Das Jungunternehmen evolaris aviation war eines der ersten Mieter im Switzerland Innovation Park Biel/Bienne und entwickelt zusammen mit dem Schweizer Flugzeugbauer MSW Aviation das erste elektrisch angetriebene Kunstflugzeug der Welt. Die jungen Elektro- und Maschinenbauingenieure des Spin-Off der BFH haben sich ehrgeizige Ziele gesteckt.
Euer Unternehmen ist im Switzerland Innovation Park Biel/Bienne (SIP BB) einquartiert. Hat es hier Platz für ein ganzes Flugzeug?
Nein, aber wer weiss, vielleicht wird das im Neubau anders sein. Ein Flugzeug gehört auch nicht wirklich in den SIP BB. Hier fertigen wir die kleinen, hochkomplexen Teile an. Ein essentieller Erfolgsfaktor ist nicht nur, dass der SIP BB sehr nahe an der BFH liegt, sondern auch, dass das ESReC (Energy Storage Research Center) der BFH im SIP BB eingemietet ist. Wir haben also alles Projektrelevante in nächster Nähe. Für das Flugzeug konnten wir eine grosse Halle in Nidau zu einem fairen Preis mieten.
Wie seid ihr auf den SIP BB gekommen?
(Lacht) Wir waren mit dem ESReC in etwa die ersten Mieter im SIP BB. Damals arbeiteten vielleicht fünf Personen für den Innovationspark. Ich weiss nicht genau, wie viele es heute sind, aber ich glaube über 30 Personen. Wir sind demnach beinahe Pioniere und können die rasante Entwicklung des SIP BB miterleben.
Ein oft gehörter Rat: «Gründe ein Unternehmen alleine, das erspart Kummer und Ärger.» Ihr seid zu dritt. Hängt der Haussegen oft schief?
Wir sind drei vollkommen unterschiedliche Charaktere, die sehr viel Zeit zusammen verbringen. Das birgt durchaus Zündstoff für Meinungsverschiedenheiten. Doch auch diesen Aspekt haben wir in die Vorbereitungsphase von unserem Projekt einbezogen. Jeder hat seine Erwartungen an die Zusammenarbeit kommuniziert. Konflikte werden bei uns nicht totgeschwiegen, sondern an den Tisch gebracht und ausdiskutiert. Eigentlich läuft das bei uns wie in einer Beziehung und unser Produkt ist sozusagen unser Baby – anspruchsvoll, facettenreich und herausfordernd.
Wart ihr euch bewusst, dass es so komplex wird?
Jein! Was die Luftfahrt und auch die Segelfliegerei betrifft, trage ich schon seit Kindesbeinen ein grosses Wissen mit mir. Zum Flugzeugbau kam ich während meines Praktikumsjahres bei der Firma MSW Aviation, von Max Vogelsang. Daher wussten wir zumindest in diesen Bereichen, was uns erwartet. Dazu kommen die ganzen rechtlichen Vorgaben, die Luftfahrtvorgaben, Prozesse, die eingehalten werden müssen und das ganze Know-how über Aerodynamik, Leistungselektronik, Softwareprogrammierung. Zu blauäugig waren wir aber punkto Zeit und Geld für die Entwicklung des gesamten Antriebsystems – da haben wir uns verschätzt.
Ein Traum, der gelegentlich zum Alptraum wird?
Nein, Alptraum nie! Aber es gab Zeiten, die uns physisch und psychisch extrem belastet haben. Kurz vor der Ausstellung an der AERO Friedrichshafen, im April 2017, schufteten wir beinahe Tag und Nacht und kamen absolut an unsere Grenzen. Aber ans Aufgeben haben wir noch nie gedacht – das wäre auch wirklich schade!
Weshalb investiert ihr in Flugzeuge und nicht in Autos?
Weil der Flugzeugmarkt eine Nische ist, und diese können wir mit einem hochkomplexen Produkt versorgen. Was die Technik betrifft, ist die Luftfahrt eine ganz eigene Welt, die viele «Erfinder» abschreckt, vor allem wegen der übersättigten Luftfahrtregulationen und Sicherheitsvorschriften. Natürlich können wir damit nicht wachsen, wie z. B. eine Microsoft, aber das war auch nie unser Ziel. Wir wollen mit kleinen Schritten etwas bewirken und längerfristig gesehen, könnte das wirklich aufgehen.
Wie?
In 10 Jahren sehen wir evolaris aviation in der Flugzeugmotorenproduktion wie auch als Lieferant von Systemkomponenten für die Luftfahrt, von der Batterie über die Regelungs- und Sicherheitssoftware bis zum eigentlichen Antriebsmotor. Wir besitzen die Fähigkeit, komplexe Entwickungsprojekte in kurzer Zeit umzusetzten, dank der breit gefächerten Fähigkeiten unseres Teams. Bereits drei weitere Kunden aus dem Luftfahrzeugmarkt haben uns mit einer Motorenproduktion resp. der Antriebskonstruktion beauftragt.
Und wo steht ihr zurzeit mit eurem Projekt?
Im November 2017 waren wir mit unserem Flugzeug VOTEC EVOLARIS am Flughafen Birrfeld in Aargau und führten Bodentests, Strukturnachweise, Festigkeitsprüfungen und Systemtests durch. Im Februar 2018 findet die Schlussabnahme durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt statt und im Frühling wird der erste Testflug stattfinden.
Wer wird das Flugzeug fliegen?
Da mussten wir auch einige Verhandlungen mit dem Bundesamt führen. Für uns war wichtig, dass unser Flugzeugbauer, Florian Gygax von MSW Aviation fliegen darf. Nicht nur weil der Pilot das Flugzeug wirklich kennen muss, sondern auch weil wir es selbst gebaut haben und auch selber fliegen wollen. Das ist Teil unseres Erfolges: «Ein Junges Team, das mit erfahrenem Flugzeugbauer das erste elektrisch angetriebene Kunstflugzeug der Welt gebaut hat!»