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Anne, die freundliche Assistentin

4.3.19
Author: Switzerland Innovation Park Biel/Bienne (SIP BB)

Anne hat ein freundliches Gesicht und eine angenehme Stimme. Sie ist persönliche Assistentin, Organisatorin, Überwacherin und unterstützt Menschen mit Demenz im Alltag, um ihnen ein autonomes Leben im eigenen Zuhause zu ermöglichen. Anne ist ein virtueller Assistenz-Avatar und wird in internationaler Zusammenarbeit mit dem Switzerland Innovation Park Biel/Bienne im Rahmen des EU-Grossprojektes Living well with Anne entwickelt.

Living well with Anne (LWWA) startete 2017 als EU-Projekt (AAL Programm) und wird voraussichtlich bis 2020 dauern. Acht Partner aus vier Ländern (Holland, Italien, Luxemburg und Schweiz) entwickeln in internationaler Zusammenarbeit den virtuellen Assistenz-Avatar «Anne» für Menschen mit kognitiven Problemen oder der Krankheit Demenz. Anne (erscheint auf einem Tablet-Bildschirm) unterstützt betroffene Personen unter anderem in der Kommunikation mit der Aussenwelt, der Medikamenten-Einnahme oder bei der Organisation persönlicher Termine, in dem sie verbal mit ihnen kommuniziert. 

Allem voran ist Anne aber auch Aufpasserin: Das entwickelte Programm misst mittels Sprach- und Interaktionsanalysen sowie explizit gestellten Fragen den aktuellen Gesundheitszustand der betroffenen Person und alarmiert bei Unstimmigkeiten die Angehörigen. Damit ist Anne nicht nur die persönliche Assistentin der Betroffenen, sondern auch die der Angehörigen, der Ärzte und des Pflegepersonals.

Unsere Gesundheit geht uns alle etwas an!

Da sich die Akzeptanz technischer Gesundheitsprodukte auf dem Markt für Privatpersonen bisher grundsätzlich als schwierig zeigte, sucht die LWWA-Projektmanagerin des SIP BB, Seline von Bergen, immer wieder die enge Zusammenarbeit mit den Betroffenen, Angehörigen, Experten und Pflegefachkräften, um ein besseres Kunden- und Marktverständnis zu erlangen und dieses wertvolle Know-how in das Projekt einfliessen zu lassen. Ziel ist, dass der reibungslose Übergang des Forschungsprojektes in ein marktfähiges Unternehmen so schnell wie möglich gelingt. 

Die Zeit ist reif: mit Anne soll den Betroffenen wieder mehr Selbständigkeit, mehr Lebensqualität und damit ein grosses Stück Würde zurückgegeben werden!

 

Seline von Bergen studierte an der Universität Bern BWL, engagierte sich nebenbei im Bereich Jungunternehmertum und Nachhaltigkeit und fasste anschliessend auch beruflich Fuss in der Innovationsbranche. Seit 2018 arbeitet sie als Projekt Managerin am SIP BB. Geleitet von sozialen und nachhaltigen Werten, jungem Enthusiasmus und Unternehmerdrang möchte sie nicht auf die Zukunft warten – sondern sie aktiv mitgestalten und Verantwortung übernehmen.  

Weshalb hast du das Projekt Living well with Anne angenommen?

Ich bin ein praxisorientierter Mensch, ich möchte nicht nur über unsere Zukunft sprechen, sondern auch aktiv dazu beitragen, dass Dinge verändert und damit besser gemacht werden. Im SIP BB kann ich mich und meine Fähigkeiten in sinnvolle Medtech-Projekte einbringen – das erfüllt mich.

Wie stehst du zu Anne?

Das gesamte LWWA-Projekt geht mir sehr nahe. Meine Mutter arbeitet in der Pflege und hat sich der Aufgabe, Menschen zu helfen, mit vollem Herzblut verschrieben – ich bewundere sie sehr dafür. Zudem erkrankte meine Grossmutter relativ jung an Alzheimer – Demenz ist also leider kein neues Thema für mich. Das alles verbindet mich natürlich emotional mit dem Projekt – auf der einen Seite traurig, auf der anderen Seite aber sehr schön, denn es hält die Erinnerungen wach.

Könntest du irgendetwas (egal ob möglich oder nicht) an Anne programmieren, was wäre es?

Das ist einfach: Ich würde ihr gerne wundervollen Humor und Dankbarkeit programmieren! Das Leben steht für Menschen mit Demenz und deren Angehörige plötzlich Kopf – auf einmal werden die einfachsten Dinge schwierig und anstrengend, Gespräche werden kompliziert, wertvolle Menschen ziehen sich zurück. Durch die Kommunikationsbarrieren entstehen verletzende Missverständnisse. Menschen mit Demenz, deren Angehörige und das Pflegepersonal leisten tagtäglich Unglaubliches – es wäre daher schön, würde ihnen öfters jemand «Danke, du bist toll – und zwar genau so, wie du bist!» sagen und ihnen ein Lachen ins Gesicht zaubern können. Nein, Demenz ist nicht lustig – aber gerade in schwierigen Zeiten brauchen wir auch jemanden, mit dem wir nicht nur weinen, sondern auch lachen können. Humor ist wichtig und hilft. 

Was kann Anne besser als ein Mensch?

Anne bleibt ruhig. Immer. Auch wenn sie zum 10ten Mal gefragt wird, welcher Tag heute ist, verändert sich ihre Stimmung und Tonlage nicht – sie bleibt genauso freundlich wie beim ersten Mal. Das ist ein fundamentaler Vorteil: Menschen mit Demenz verfügen über ein ausgeprägtes sensibles und menschliches Gespür. Stellen Sie sich vor, von einem Moment auf den anderen reagiert Ihr Umfeld plötzlich gereizt. Sie verstehen nicht warum, denn Sie können sich nicht erinnern, dass Sie sich wiederholen. Sie ziehen sich also immer mehr zurück. Ich denke, in diesem Punkt kann Anne das Selbstbewusstsein der Betroffenen ungemein fördern. Zudem hat sie immer alle wichtigen Informationen für alle Involvierten bereit. Können wir uns in Zukunft Vollzeit der Pflege unserer Eltern widmen? Wohl kaum, aber es muss möglich sein, dass wir zumindest immer wissen, wie es ihnen geht und reagieren können.

Weshalb ist Anne eine Frau?

Diverse Studien haben gezeigt, dass sowohl Frauen wie auch Männer besser auf eine weibliche Figur reagieren. Frauen und erstaunlicherweise auch Männer scheinen sich bei einer weiblichen Figur wohler zu fühlen, sie akzeptieren sie besser und nehmen Anweisungen oder Ratschläge besser an. Vielleicht kommt das von der Mutterrolle, welche uns umsorgt und es gut mit uns meint.
 

 

Text: Seline von Bergen, Projekt Managerin SIP BB, Interview: Leila Chaabane, MarCom SIP BB