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Ein Elektroflugzeug und Experimente mit seismischen Wellen – was im SIP Zurich entwickelt wird

13.9.21
Author: Stefan Hotz, © Neue Zürcher Zeitung

Die Hülle ist ein Bausatz, ein sogenanntes Kit-Flugzeug aus Südafrika zum Selbernieten und -zusammenschrauben. Der Antrieb entsteht ebenfalls im Eigenbau, aber auf höchstem technischem Niveau. Ein Dutzend Studierende der ETH Zürich konstruiert das wahrscheinlich erste Elektroflugzeug weltweit mit vier Plätzen.

Autor: Stefan Hotz, © Neue Zürcher Zeitung

E-Sling ist ein sogenanntes Fokusprojekt der ETH Zürich. Während acht Monaten entwickeln die angehenden Elektro- und Maschineningenieure einen rein elektrischen Sportflieger. Welches ist dabei die grösste Schwierigkeit? Die nötige Energiedichte der Batterie zu erreichen, antwortet der junge Software-Ingenieur Timo Kleger, der dem Besucher bereitwillig Auskunft gibt.

Die Akkus werden vorne in die Tragflächen eingebaut. Für ein Flugzeug müssen sie im Verhältnis zu ihrem Gewicht und Volumen maximal viel Elektrizität speichern können. Um mehr Reichweite zu erhalten, war es unumgänglich, die Flügelspannweite um einen Meter zu verlängern.

Für einige in der Gruppe ist das Elektroflugzeug ihre Bachelorarbeit. 12 zusätzliche Kreditpunkte zu den 14 für das Fokusprojekt gebe es dafür, sagt Timo Kleger. Allein deshalb lohne sich der Arbeitsaufwand nicht. Er mache das ohnehin nicht nur wegen der Punkte. Die Chance, im ETH-Grundstudium ein Flugzeug zu bauen, ist Ansporn genug.

Das Testgelände, um E-Sling zum Fliegen zu bringen, ist das kleinste Problem. Denn die mit allerlei Geräten und elektrischen Apparaturen überstellte Werkstatt befindet sich im Hangar 3 des Flugplatzes Dübendorf. Anfang Oktober ist der Roll-out. Danach wird das Flugzeug auf dem Rollfeld davor ausführlich geprüft.

Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl), das neben zahlreichen Sponsoren sehr am Projekt interessiert ist, wird voraussichtlich bis Ende Jahr das Flugzeug zertifizieren. Die Studierenden haben keinen aviatischen Hintergrund. Den ersten Flug wird voraussichtlich im nächsten Frühling ein Testpilot übernehmen, den das Bazl auswählt.

Weltweit einzigartiges Labor

«Das Flugzeug wird abheben», sagt René Kalt überzeugt, der Geschäftsführer der Stiftung Innovationspark Zürich. Der E-Flieger steht geradezu beispielhaft für die Synthese von Innovation und Aviatik. Diese Zielsetzung wird neu auf dem ganzen Flugplatzareal verfolgt; das ergab die vor knapp zwei Wochen veröffentlichte Gesamtschau. Im Fokus stehen Forschungsgebiete, die auf eine Flugpiste oder sonst auf grosse Testflächen angewiesen sind. Konkret: Mobilität, Robotik, Aviatik und Raumfahrt.

Im Hangar 3 befinden sich weitere Studentenprojekte wie die elektrischen Rennwagen des Teams AMZ Racing (Akademischer Motorsportverein Zürich), mit denen das Team den Weltrekord in der Beschleunigung hält: Von 0 auf 100 km/h in 1,513 Sekunden. Oder Swissloop, ein Gefährt, das jeweils am Hyperloop-Wettbewerb von Elon Musk um das schnellste Schienenfahrzeug teilnimmt. Weniger bekannt sind Entwicklungen in der Raketentechnik. Im Hangar tüftelt das Team Aris (Akademische Raumfahrt Initiative Zürich) daran, einen neuen Antrieb mit festem und flüssigem Treibstoff zu entwickeln.

Wie wichtig der ETH Zürich der Innovationspark ist, zeigt sich daran, dass sie mehrere Millionen Franken in den Hangar investiert hat. Ein grosser Teil wurde für eine grosse Box aus Beton und vor allem ihren Inhalt aufgewendet. Hier experimentieren Dirk-Jan van Manen und weitere Erdwissenschafter mit seismischen Wellen, um dreidimensionale Bilder zu erzeugen. Die massive Hülle ist nötig, um die empfindlichen Geräte von allen anderen störenden Wellen abzuschirmen.

Ein Vibrometer mit monströsem Roboterarm misst berührungslos Schwingungen an einem Granitblock. Auf diese Weise lassen sich im Labor Gesteinsformationen, wie wenn sie an ihrem ursprünglichen Standort wären, untersuchen. Das erlaubt es zum Beispiel, instabile Hänge zu überwachen, bevor sich ein Bergsturz löst, aber auch Lager für radioaktive Abfälle oder Gebäude und Brücken.

Der Raum verfügt ebenso über ein grosses Wasserbecken für Experimente mit akustischen Wellen und Hochleistungscomputer für Echtzeitberechnungen. Ein solches Labor für die Projektion einer virtuellen Umgebung bei Experimenten mit Wellenausbreitung gibt es laut van Manen sonst nirgends auf Welt. Dafür braucht es zwar keine grossen Testflächen, aber eine Mindesthöhe. An den ETH-Standorten Zentrum und Hönggerberg fehlte dafür der Platz, in den Hangar passte die Box.

Die Universität zieht mit

Dass erst Hochschulinstitute im Innovationspark tätig sind, hat zwei Gründe. Für Neubauten fehlen noch die planerischen Grundlagen, denn der Flugplatz ist zum grössten Teil Landwirtschaftsgebiet. Die Hangars am Rand liegen in der Zone für öffentliche Bauten, was die Ansiedlung von privaten Firmen ausschliesst. Zwar hat Dübendorf dieses Gebiet 2017 in eine Gewerbezone umgeteilt. Das Verwaltungsgericht hat eine Einsprache gegen den Volksentscheid vor kurzem abgewiesen.

Doch im nächsten Jahr bringt die Universität Zürich im Hangar 4 ihren Space Hub unter. Neben Projekten für die Raumfahrt und die Aviatik sowie die Weiterentwicklung und die Anwendung von Drohnen führt sie sogenannte Parabelflüge durch. Sie erlauben es, in einer simulierten Schwerelosigkeit Experimente durchzuführen.

Den noch leeren Hangar 2 wird die ETH Zürich ab dem nächsten Jahr nutzen, nicht für Experimente von Studierenden, sondern für Projekte, die ihre Institute zusammen mit innovativen Firmen vorantreiben. Viele dieser Unternehmen hätten am liebsten ein Labor direkt in der Hochschule, sagt Nanja Strecker, ETH-Projektverantwortliche für den Switzerland Innovation Park Zurich: «Hier ermöglichen wir Kooperationen an einem Ort.»

Der Innovationspark erobert sich seinen Raum allmählich. Bis im Mai führte der Zaun, der ihn vom Militärflugplatz abgrenzt, etwa zehn Meter vor den Hangars durch. Dann konnte er in Absprache mit der Armee um etwa 50 Meter verlegt werden. Der Park gewann damit viel Fläche, die er in eigener Regie für Tests nutzen kann.

Derzeit wird das ehemalige Feuerwehrgebäude erneuert. Hier bietet die Kantonalbank zusätzlich zu ihrem «Büro Züri» an der Bahnhofstrasse jeweils fünf Startups Platz, die einen Bezug zur Forschung auf dem Innovationspark haben. Zur Verfügung steht bald auch das Waschhaus. Es eignet sich allenfalls zur Optimierung der Unterwasserroboter, die Tethys Robotics im Innovationspark entwickelte.

Weil die Hangars wegen des Lichts die Anforderungen an einen Arbeitsplatz nicht erfüllen, sind im ehemaligen Küchengebäude Büros eingerichtet. Der Geschäftsführer René Kalt weiss sich zu helfen. Seit kurzem steht auf dem Bahngleis des Rollfelds ein Langholzwagen mit zwei transparenten Sitzungszimmern auf der Ladefläche. Ein festes Gebäude dürfe er nicht aufstellen, erklärt Kalt, eine sogenannte Fahrnisbaute schon. Weil es kaum Verpflegungsmöglichkeiten gibt, sucht er derzeit noch einen ausrangierten Speisewagen der SBB.

Es läuft einiges im Switzerland Innovation Park Zurich. Das gilt auch für die Startbahn 29, ein Projekt der Schulgemeinden im Glatttal. Sie wollen damit Kinder von der 3. Klasse bis in die Oberstufe an die Mint-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) heranführen. Gerade erklärt der eigens dafür angestellte Lehrer Daniel Schaub in der Werkstatt einer Primarklasse, wie sie an den Arbeitsplätzen einen Stromkreis bauen können, der ein Lämpchen zum Glühen bringt. So ist vielleicht schon manchem späteren Ingenieur und Wissenschafter einst ein Licht aufgegangen.